Unterschiede zwischen den Verfahren in Untersuchungsausschüssen und bei Gerichten/Ermittlungsbehörden
Neben der Bekämpfung der Pandemie war die Arbeit des Ibiza Untersuchungsausschusses in den Jahren 2020 und 2021 die von der Öffentlichkeit am häufigsten wahrgenommene Tätigkeit des Parlaments.
Während Ersteres in die Gesetzgebungskompetenz des Nationalrates fällt, handelt es sich beim Untersuchungsausschuss um die schärfste parlamentarische Waffe - insbesondere - der Opposition zur politischen Kontrolle der Regierung.
Wenn auch in den Medien oftmals das Untersuchungsausschuss- und das Gerichtsverfahren in einen Topf geworfen werden, bestehen jedoch beim Verfahren und bei der Zielsetzung wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Instrumenten. Das wesentliche Gemeinsame scheint die Tatsache, dass sowohl für Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss als auch für Zeugen vor Gericht bei ihren Aussagen die Wahrheitspflicht besteht.
Nunmehr zu den Unterschieden im Detail:
1. Beim Gerichtsverfahren handelt es sich um die Prüfung der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes in einem justizförmigen Verfahren. Der Untersuchungsausschuss soll hingegen die politische Verantwortung der Regierung im Wege der parlamentarischen Kontrolle klären. Er dient nicht der Wahrheitsfindung, sondern ist ein Instrument der parteipolitischen Auseinandersetzung.
2. Während ein Gerichtsverfahren grundsätzlich fair und ergebnisorientiert verläuft, haben Untersuchungsausschüsse bedauerlicherweise oftmals Tribunalcharakter; dabei treten einzelne Abgeordnete wie im Strafprozess als Ankläger und Richter zugleich auf.
3. Die sachliche und objektive Abwicklung des Prozesses bei Gericht wird durch professionelle Richter und Staatsanwälte garantiert, die über eine umfassende juristische Ausbildung verfügen. Für die Mitgliedschaft im Untersuchungsausschuss reicht ein Nationalratsmandat und die Entsendung durch einen Parlamentsklub. Da es sich beim Untersuchungsausschuss um eine parteipolitische Veranstaltung handelt, herrscht in Untersuchungsausschusssitzungen oft eine aufgeheizte und unsachliche Atmosphäre; es werden sogar manchmal vertrauliche Dokumente gesetzwidrig geleakt.
4. Im Gerichtsverfahren haben Richter und Staatsanwälte ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben. Befangene Richter und Staatsanwälte sind laut Gesetz ausgeschlossen. Im Untersuchungsausschuss treffen meist nicht entsprechend juristisch ausgebildete Volksvertreter parteipolitische Entscheidungen. Sie haben in erster Linie die Aufmerksamkeit der Medien im Visier. Außerdem gibt es für Mitglieder des Untersuchungsausschusses keine besonderen Befangenheitsregeln.
5. Während die Arbeit der Behörden zeitlich nicht limitiert ist, und das einzige Ziel darin besteht, die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, ist das Untersuchungsausschussverfahren zeitlich begrenzt und endet mit einem rechtlich unverbindlichen Bericht an das Plenum des Nationalrates.
6. Das Gerichtsverfahren ist also durch Disziplin und Sachlichkeit gekennzeichnet. Das Untersuchungsausschussverfahren hingegen verläuft teilweise chaotisch und ist als parteipolitisches Kampfinstrument zu werten. Letzteres wird auch in der einschlägigen Literatur hervorgehoben.
7. Staatsanwaltschaften und Gerichte haben nach der StPO die Wahrheit zu erforschen und am Ende ein rechtlich verbindliches Urteil auszusprechen. Der Untersuchungsausschuss hingegen endet – wie erwähnt – mit einem rechtlich unverbindlichen Ausschussbericht an den Nationalrat, wobei die Parteienvertreter in getrennten Berichten den eigenen Standpunkt für die Öffentlichkeit festhalten.
Nähere Details zu diesem Thema sind dem Beitrag von Werner Zögernitz unter dem Titel „Unterschieden zwischen den Verfahren in Untersuchungsausschüssen und bei Gerichten / Ermittlungsbehörden“ im Österreichischen Jahrbuch für Politik 2021 (Herausgeber: Khol, Sobotka u.a.; Seiten 127 – 140) zu entnehmen.